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Das fast nicht gefundene Weltwunder

Wir hatten uns in der Türkei ein paar Sehenswürdigkeiten ausgesucht, zum Beispiel den Apollon Tempel in Didyma und natürlich eines der sieben Weltwunder, den Artemis Tempel von Ephesos. Das schwierigste war aber eher das, welche der vielen Sehenswürdigkeiten wir besuchen wollten, denn im Süden der Türkei ist es eigentlich unmöglich NICHT über ein Antik Kenti, oder vergleichbares zu stolpern. Manche stehen einfach so da, lediglich ein kleines Schild weisst vielleicht noch auf die frühere Bedeutung hin. Wer weiß, wieviele einfach nur rumstehen und noch gar nicht irgendwie verzeichnet sind. Selbst beim pi…pi..Pilze suchen gehen sieht man einen bearbeiteten Stein, der mal Teil von irgendetwas gewesen sein muss. Einige der Antik Kentis sind wirklich beeindruckend. Die schiere Größe, die perfekte Genauigkeit und die filigranen Arbeiten sind unglaublich. Und wenn man so durch die alten (wie alt mögen manche vielleicht wirklich sein?) Anlagen läuft, dann…

Als ich so da stand und durch dieses große alte Bad ( stand auf dem leicht verwitterten Schild) ging, versuchte ich mir vorzustellen, wie es wohl einmal ausgesehen haben muss. Die Gedanken trifteten durch die Zeit…und plötzlich… klopfte mir jemand auf die Schulter und riss mich zurück in die Gegenwart. „Michael, du hast mich vielleicht erschreckt!“, sagte ich ein wenig unwirsch. Doch vor mir stand nicht Michael, sondern ein Mann mit weißen Haaren, einer Toga und in Ledersandalen. Also definitiv nicht Michael. 

 

„Entschuldigung, darf ich ihnen eine Frage stellen?“, fragte er mich mit ein wenig Verunsicherung in der Stimme. „Hmm, was? Ja… Na gut, fragen sie nur“, war meine etwas verwirrte Antwort. (Wieso steht hier einer in nem Handtuch vor mir? Und wieso versteh ich den überhaupt?) „Verzeihung, mein Name ist Chersiphron.“, sagte der Mann. „Sagen sie, wissen sie was hier passiert ist?“, dabei deutete er auf die Ruinen des Bades. 


Die Situation war absurd. Ich stehe mitten in der Türkei, in mit Gras und Büschen überwachsenen Resten einer ehemaligen Badeanstalt und mich spricht einer an, der wie ein alter Grieche oder Römer aussieht. UND ich verstehe ihn. weil er perfekt deutsch spricht, mit einem leichten hessischem Akzent.

Leicht zögerlich antwortete ich also: „Was passiert ist? Naja, 2000 Jahre sind passiert und vielleicht das ein oder andere Erdbeben, würde ich sagen.“ 

 

Er schüttelte den Kopf: „Kann nicht sein, 20000 Jahre Garantie, das ist Pflicht! Verdammte Bürokraten! Dann bin ich also in der Zukunft gelandet?! Aber 2000 Jahre? Da muss mit ihrer Rechnung etwas nicht stimmen! Waren sie schon in Ephesos? Haben sie den Artemusk- Store gesehen? Tolles Ding! Hab ich gebaut!“ 

 

(Ich muss Michael holen, der glaubt mir das nie! Außerdem ist der Typ irgendwie seltsam.) „Artemusk? Store? Den Artemis Tempel  meinen sie! Und den haben SIE gebaut??“ (Ah gut, da kommt Michael) „Hey, Michael! Komm mal! Ich muss dir…äh…ah Ja, Chersiphron vorstellen, der hat den Artemis Tempel gebaut! Kaum zu glauben, nicht wahr?“ 

 

Michael kam langsam auf uns zu „Ah, Merhaba oder Yassas?“ dann fing er an in sein Handy mit dem Übersetzer zu sprechen. „Dann__haben__ sie__ein__Weltwunder__errichtet?Dann__erzählen__sie__doch__einmal__wie__war__denn__das?“ 

 

Doch noch bevor der Übersetzer seine Übersetzung ausspucken konnte, antwortete Chersiphron und hörte so schnell nicht mehr auf: „Weltwunder? Na von mir aus. Ist Ja schließlich der größte Laden gewesen den ich damals für Artie gebaut hab. 115 Meter Lang, 55 Breit, 18 Meter Hoch und mit 128 Säulen. Sie wissen schon, Bit und Byte. 

 

War nicht der erste Laden. Aber Artie wollte es ja immer besonders und diesmal ganz Groß. Wäre ja alles kein Problem gewesen. Gravo Heber, Schallschneider, 4D Drucker und so weiter. Kennen sie ja bestimmt. aber dann…“ 

Michael schaffte es geradeso noch: „Ja, die dummen Kriege!“, einzuwerfen, da sprach Chersiphron direkt weiter: „Kriege? Na so schlimm würde ich das nicht nennen… Demonstrationen, wegen der blöden Umweltaktivisten, die sich dann zusammenketten. Streiks von Gewerkschaften, die uns als Sklaventreiber und sich als Sklaven bezeichnen. Also mal ehrlich, Klimaerwärmung ist ja am Ende einer Eiszeit nicht ganz so unnormal oder? 

 

Warum aber die Gewerkschaften auf einmal nicht mehr mit den üblichen 1% Lohnerhöhung bei vollem Arbeitszeitausgleich, also 5% mehr arbeiten, einverstanden sind, das weiss ich auch nicht. Ging doch sonst immer. 

 

Und als wäre das noch nicht genug, kommen noch die Bürokraten an. Ist ihr Marmor auch Feuerfest? Nach Din0- Norm? Haben sie Formular AA23 ausgefüllt?  Die Ausrichtung des Ladens muss gemäß Paragraph MCDVLII genau 23 Grad mal die Uhrzeit im Quadrat durch den Bauchumfang des Leitenden Beamten betragen! Glaubt man kaum, hab ich aber geschafft. 

 

Und dann??? Findet irgend so ein Hansel raus, dass GENAU in dem Gebiet die schwarz-rot gestreifte Schwarzfelszecke lebt. Die Umsiedlung nach Germanien hab ich bezahlt, Hauptsache weit weg, und da will eh keiner bauen. 

 

Nach 12 Jahren war er dann endlich fertig. Echte Wertarbeit, 30000 Jahre Garantie! Na, da sind se platt was? Sie sehen etwas blass aus! Sie sind doch keine Beamte oder? Na dann will ich mal besser nicht stören!“ 

Es machte weder Puff, noch qualmte es. Er war auf einmal weg. Wir schauten uns beide an, starrten dann noch eine Weile auf die Stelle wo Chersiphron eben noch gestanden hatte und begaben uns zu unserem Bus. „Das war verrückt!“ sagte Michael, worauf ich erwiderte: „ Jupp, aber stell dir vor es ist so gewesen. Kein Tempel und dann noch viel älter. Was wissen wir denn schon? Tja, Zeitreisen müsste man können!“

Nach dieser Begegnung machten wir uns auf die Suche nach dem Weltwunder von Ephesos. Dem größten Tempel ( oder doch nur ein Laden? Oder ein Hotel?) den es je gegeben haben soll. Kann ja nicht zu übersehen sein. Auf Gockel-Maps ganz einfach, Route eingeben und hin. Das erste Schild kam und die Spannung stieg. Dann das zweite Schild, wir waren unserem ersten offiziellen Weltwunder ganz nah. Doch dann? „Also da links soll er sein. Siehst du hier ein Parkplatz oder so?“ Ungefähr 10 Minuten und ein paar Abbiegungen und Irrwege später, war immer noch kein Parkplatzschild zu erkennen. „Wir fahren wieder zurück, zu dem Schild und suchen uns einen Parkplatz!“ 

 

Gesagt getan. Wir stiegen aus und suchten ein wenig, liefen an einer Jandarmarie vorbei, dann rechts. „Nach der Ecke, da muss er sein.“ Die Ecke war vorüber und: „TADA aa aaaber wo is er denn?“ „Also hier soll er sein, steht auch ein Schild. Der Artemis Tempel….“ „Mhm, da hat jemand ein paar Steine übereinander gestapelt, so dass es wie eine Säule aussieht. Vielleicht ist der Tempel hinter der Säule?“ Doch ausser der Säule und 3-4 Steinblöcken war nichts zu sehen von dem Weltwunder. Schade, ernüchternd. Aber Haken dran und Jippie, wir haben ein Weltwunder gesehen. Bucketlist: Weltwunder gesehen. Enttäuscht? Nur ein wenig, denn wie gesagt, in der Türkei gibt es vieeeele Tolle Alte Bauwerke.

 

Und die Moral von der Geschicht:

Nur weil mal was ein Wunder war, ist es heut nicht zwingend wunderbar.